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  • Katja Peteratzinger

Pfarrer aus Leidenschaft - Birgit & Hans Hamrich im Porträt

Aktualisiert: 17. Nov. 2022

" In einem anderen Land leben zu können,

ohne auf seine kulturelle Identität sowie gesellschaftliche und familiäre Prägung verzichten zu müssen, das bedeutet Integration für uns."


Ein Feature im Rahmen des Projektes www.mehr-integration-geht-nicht.de





Birgit und Hans Hamrich


Im November werden es 20 Jahre, die Birgit und Hans Hamrich im Kirchspiel Bechtheim, Beuerbach und Ketternschwalbach in Hünstetten beheimatet sind. Er arbeitet hier als evangelischer Gemeindepfarrer noch bis Herbst diesen Jahres. Danach geht es in den verdienten Ruhestand. Sie ist zum Zeitpunkt des Interviews für das Zentrum Oekumene in Frankfurt tätig. Zwischen New York und Warschau zuständig für Internationale Partnerschaften der Landeskirchen pendelt Birgit Hamrich für ihr Institut fast durch die ganze Welt. Sie ist Botschafterin ihrer Kirche, die sich als weltweite Gemeinschaft sieht und gewährleistet mit ihrer Arbeit den Blick über den Tellerrand. Sie gehört außerdem dem Bundesvorstand des Gustav-Adolf-Werkes (GAW) an, welches den Bau und die Sanierung von Kirchen und Gemeindehäusern fördert.


Birgit Hamrich ist Mitglied des Bundesvorstandes des Gustav-Adolf-Werkes (GAW)

Bei Hans geht es beruflich seit 20 Jahren etwas sesshafter zu. Verwurzelt in der Region dreht sich für ihn von früh bis spät alles um die Begleitung seiner Gemeindemitglieder bei entscheidenden Lebensstationen. Menschen feiern Taufen, Konfirmationen, Trauungen und Beerdigungen. Sie bei diesen bedeutenden Schritten in ihrem Leben zu segnen, das gehört zu den Hauptaufgaben des Landpfarrers. Den Segen Gottes für diese Anlässe zu erbitten, das ist für viele christlich geprägte Menschen nach wie vor selbstverständlich. Menschen

vertrauen Pfarrer Hamrich ihre Nöte und Sorgen an. Natürlich kümmert er sich um die Gottesdienste und Gemeindefeste ebenso um Krankenbesuche, Trauergespräche, die Organisation von Kinder- und Jugendveranstaltungen oder die Renovierung der Kirchen und Gemeindehäuser.


"Heimat ist da,

wo man sich nicht erklären muss






Birgit und Hans Hamrich gehörten zur deutschen Minderheit in Rumänien. Sie stammen aus

Siebenbürgen in Rumänien. Hermannstadt/Sibiu, Kronstadt sind Städte ihrer Jugend. Die beiden haben urdeutsche Vornamen und gemeinsam eine 29 Jahre alte Tochter. Als Spätaussiedler hatten sie einen festen Anspruch auf die deutsche Staatsbürgerschaft, als Entschädigung für erlittene Verfolgung und Enteignung in ihrem Urspungsland.

„Hans war der Motor damals, dass wir herkamen“, sagt Birgit Hamrich. Er habe gewusst,

dass ihr Platz hier in der BRD sei, sie sei zunächst gar nicht so überzeugt davon gewesen.

Schließlich habe sie „ja“ gesagt und nachdem sie zunächst ein halbes Jahr getrennt waren um die Jahrtausendwende, kamen beide endgültig nach Deutschland - ihrer neuen Lebens- und Wirkstätte. Beide Hamrichs betrachten Deutschland und Rumänien als Heimat gleichermaßen.





„Ich komme aus einer evangelischen Pfarrersfamilie aus Rumänien, meine erste Muttersprache ist Deutsch. Rumänisch habe ich erst in der Schule gelernt“, sagt Hans. Ich habe deutsche Schulen besucht, habe ein deutsches Abitur gemacht und Theologie in deutscher Sprache studiert und als Grundschullehrer gearbeitet“. Bis zu seinem 30. Lebensjahr habe er in einer Diktatur gelebt. Als Angehöriger der deutschen Minderheit habe er erst nach 1990 einen Pass erhalten und konnte so in andere Länder reisen und damit demokratisch organisierte Gesellschaften kennenlernen können.

In einem anderen als dem eigentlichen Herkunftsland leben zu können, ohne auf seine kulturelle Identität sowie gesellschaftliche und familiäre Prägung verzichten zu müssen, das bedeutet Integration für mich, schreibt Hans Hamrich im Fragebogen zu diesem Gespräch. Heimat sei da, wo man sich nicht erklären müsse. Auf die Frage, was er, wäre er Bundeskanzler, tun würde um Integration zu verbessern, antwortet er: „Ich würde dazu einladen, Menschen die hierherkommen mit ihren Eigenheiten und mitgebrachten Prägungen zu ermutigen und zu fördern und diese als eine Bereicherung zu betrachten.“ Birgit Hamrichs Antwort lautet: „Ich würde die Menschen zu Wort kommen lassen, ihre Geschichten erzählen, eine Gastgeberkultur anstoßen.“


Hans und Birgit Hamrich kamen als Angehörige einer Minderheitenkirche in Rumänien in eine Mehrheitenkirche hier in der Bundesrepublik. Das sei schon sehr besonders gewesen, betonen beide. Die evangelisch, deutschsprachige Kirche in Rumänien habe eine stark identitätsstiftende Rolle. Ca. 98 % der übrigen Bevölkerung seien orthodox. „Das öffentliche Bild des Pfarrers in Rumänien wird geprägt von dem orthodoxen Priestertum, welches mir immer fremd war“, sagt Hans Hamrich. Birgit Hamrich sagt, „ich war immer die Tochter eines evangelischen Pfarrers und in Rumänien die erste Frau, die ordiniert wurde“. Beide erwähnen, dass erstmals seit Jahrhunderten in der Bundesrepublik weniger als 50 % der

Menschen Mitglied einer der beiden großen Kirchen seien. Den beiden engagierten Geistlichen mit Missionsanspruch dürfte diese Entwicklung keineswegs gefallen.





" Ein Leben für die Kirche.

Landpfarrer mit Leidenschaft, Hingabe und Missionsanspruch


Menschen, die mehr als eine Kultur kennengelernt haben, frage ich in meinen Interviews gerne, was ihnen an der unseren gut und was weniger gut gefällt. Ehepaar Hamrich antwortete: „Gut gefällt uns die kulturelle Vielfalt und die teilweise sehr hochwertige und freie Presselandschaft.“ Weniger gut gefalle, dass trotz breitem allgemeinem Bildungsstand so viele Menschen Verschwörungsgeschichten nachhingen und sich während der Corona-Pandemie zu Impfgegnern erklärten. Und selbstredend gefalle es ihm nicht, dass der

Glaube eine immer unbedeutendere Rolle im täglichen Leben vieler Menschen spiele.


In der alten Heimat leben noch die Eltern Birgit Hamrichs, außerdem ehemalige Kollegen und viele Freunde der beiden. Mindestens einmal im Jahr kehren sie dorthin zurück. Ihre gemeinsamen Hobbys sind Lesen, Wandern, Fahrradfahren. Gehört wird im Pfarrhaus am liebsten Herbert Grönemeyer und Adele. Gelesen werden Canetti, Kafka, Juli Zeh und Tolstoi. Und was wird am liebsten gegessen? Alles mit Pilzen!

Der Blick in die Zukunft ist viel versprechend. Birgit möchte vor allem „glücklich und im Reinen sein“. Und dieser Lebenstraum ist näher denn je. Vor einigen Tagen wurde Birgit Hamrich zur Dekanin in Büdingen gewählt. Das hatte sich die 49-Jährige wirklich gewünscht. Hans Hamrich geht zum Ende des Jahres in den Ruhestand. Oder soll man sagen Unruhestand? Er träumt davon ein Buch zu schreiben und ein StartUp zu gründen. Und er freut sich darauf, zum ersten Mal in seinem Leben frei über seine Zeit bestimmen

zu können.


Text: Katja Peteratzinger

Bilder: Peteratzinger-Publishing Marketing & Medien

sowie eigenes Archiv Familie Hamrich



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